Jolly Harbour, Antigua
Dienstag, 05.02.2008, 10:30 Uhr
Seit gestern Abend sind wir in Jolly Harbour, einer ziemlich goßen Lagune, die systematisch zu seinem Segler-Ferienwohnungsparadies ausgebaut wird. Hier kann man sich Häuschen mit unmittelbarem Anleger für die Yacht kaufen. Ein winzig kleiner Bildausschnitt:

Das Areal ist rießig groß und komplett auf US-Amerikaner eingerichtet, die hier ihre klischeehafte Karibik-Traumwelt finden. Die Filmkulisse stimmt: endloser Sandstrand, Casino, Golf- und Tennisplätz, Lebensmittel vom Supermarkt zum Boot-Träger usw. Alles ist im Umkreis von weniger als einem Kilometer da. (Wir hatten übrigens schon einen (beinahe-) Kaufinteressenten für unsere Wailana an Bord; hier verkauft noch jemand eine Dean 440 - da liegt der neugierige Blick auf ein Schwesterschiff nahe).
Mal schauen, was wir hier heute machen. Unsere nicht mehr vorhandenen Lebensmittelvorräte haben wir schon gestern nach unserer Ankunft aufgefrischt. Wahrscheinlich werden wir uns den "Haus-Strand" hier anschauen... Weitere Bilder folgen.
Viele Grüße an Alle
Ralf
1 Kommentar:
Nachtrag zur Duck:
Im Nachhinein werden die Wellen immer höher, im Moment sind wir bei 5 Metern angekommen. Irgendwann in naher Zukunft wird der Sturm die letzten Passatwölkchen weggeweht haben, und unter dem bleischwer bedecktem Himmel das Tageslicht schwinden. Dann wird nur noch von Blitzen erhellt die „Duck“, unser Geisterschiff ohne eine Menschenseele an Deck für kurze Momente zu erkennen sein, bevor sie vielleicht zum letzten Mal in einem Wellental verschwindet. Dann wird für immer in den Fluten versinken, was uns überdeutlich vor Augen führt, dass dies hier kein Sonntagsausflug auf der Lübeckerbucht ist und wovon sich die meisten schon lange mit Grausen abgewendet haben. Mich überrascht noch heute die innere Stärke unser Bordfrau, Angehörige dieser zarten Wesen die, im Gegensatz zu dem was bei manchem ach so gestandenem Mann zum Vorschein kam, ungerechtfertigterweise so lange im Veruf standen Unglück und Zwietracht an Bord zu bringen, diese Schaumgeborene, die ohne Zweifel beim leichtesten Anzeichen eines Menschen in Not ohne Nachzudenken über Bord gestürzt wäre um nicht zum blosen Zuschauen verdammt zu sein. Vielleicht presste der ein oder andere ein stilles Gebet über die feuchten Lippen, aber mehr konnten wir wirklich und Hand aufs Herz nicht tun. Beim Zeus, oder wem auch immer die Verantwortung für diese Situation gebührt.
Wir kämpfen ja selber schon mit den Elementen; ach was, wir hatten schon lange den Kampf aufgegeben und wußten nicht ob die nächste Bö uns mehr nimmt als wir verkraften können, oder ob doch eher die Wellen, diese alles zermalmenden Brecher uns auf den Grund des Meeres schicken. Diese haushohen und irrwitzigen, mehr als senkrechten, Wände aus Wasser, gekrönt von der davon wehenden Gischt, die die Luft zum Atmen nahm, uns eine Vorgeschmack auf das bevorstehende Ertrinken gab und den Blick trübte. Nur die Mutigsten setzen sich dieser salzgeschwängerten Gefahr aus um buchstabenweise den Namen jenes unseligen Schiffes zu entziffern: „Barbary Duck“. In Gedanken sind wir bei den Glücklichen die wahrscheinlich schon alles hinter sich haben. Nachdem die ersten aus dieser Schockstarre erwachen und wieder fähig sind einen klaren Gedanken zu fassen, fällt der einzig mögliche Entschluß: ablaufen vor dem Wind und diesen , sind-das-noch-Wellen-?. Die Richtung gaben die Schaumstreifen vor die der entfesselte Orkan in die brodelnde See drückte. Später, sollte es für uns ein Später geben, würden wir zurückkommen um zu retten, was noch an Bord die Hände mit ungläubigem Blick den Rettern entgegenstrecken konnte. Dieses Versprechen das nicht ausgesprochen werden musste wurde einstimmig gegeben. Die „Titaro“, die das Schicksal mit uns zusammen in dieses Inferno geführt hatte, war schon längst abgedreht und die letzten Funksprüche waren die gegenseitig gegebenen Versprechen die Hinterbliebenen von den letzten Stunden zu berichten, sofern es die Götter gut mit einem meinten. Jetzt, im Nachhinein, ist erst zu ermessen wie knapp wir davon gekommen sind und ich höre das Brüllen des Sturmes und das Brechen der Wellen das ich in diesen Breiten so nicht für möglich gehalten habe und in dieser Situation damals auf hoher See bedauerten wir alle keine Bibel an Bord zu haben um nachzulesen: fürchtet euch nicht denn ich bin bei euch. Die Hoffnung war uns schon lange abhanden gekommen als wir ein letztes mal versuchten eine Satellitenverbindung zum MRCC Bremen zustande zu kriegen und endlich kamen wir durch und erhielten die Mitteilung: keiner mehr zuhause auf der „Duck“. Die Besatzung vorzeitig aus- und umgestiegen auf ein schmuckeres Boot! So also wird heutzutage meist Seemannschaft buchstabiert: wenn der Motor stottert oder der Rückflugtermin nicht gehalten werden kann heißt es sich nach was besserem umsehn und am besten vom Hubschrauber abbergen lassen. Uns ließ das nur noch verzweifelter zurück, wussten wir doch jetzt dass wir die Bedauernswertesten hier im Umkreis waren und nachdem die Titaro im Dunkel zwischen den Wassergebirgen verschwunden war dass wir keine Hilfe erwarten durften. Nicht von der Berufsschifffahrt noch von den unterbesetzten oder hoffnungslos überalterden Besatzungen der ARC-Teilnehmeryachten für die Seemannschaft nur eine Rolle in der Prüfung zum Wasserführerschein darstellt.
Aber wenn die Nacht am dunkelsten ist der Tag am nächsten. Und so auch hier. Wir begrüßten den wider Erwarten anbrechenden Morgen mit ungläubigen Staunen, dass noch genährt wurde durch das Schauspiel von hunderten von Delphinen die Schutz in Lee unseres Bootes suchten. Was hatten wir über- und erlebt, besser eigentlich: gemeinsam durchlitten. Unverbrüchliche Freundschaft war in unserer Gemeinschaft entstanden, wir waren nicht länger eine Ansammlung vergnügungssüchtiger Individualtouristen die hier ihr Mütchen kühlten, sondern Seemänner die füreinander ohne auch nur zu zögern über die Planke gehen würden und bereit den letzten Teebeutel miteinander zu teilen ohne nachzurechnen wer wie viel und wofür in die Bordkasse eingezahlt hatte. Die See hatte nachgeprüft und uns noch mal eine Chance gegeben um von diesem Erlebnis in einer ausgezeichneten Stunde zu erzählen. Innerlich waren wir gewachsen auch wenn der ein oder andere ein graues Haar mehr hatte. Ich blickte nur noch in Augen von Menschen die gesehen hatten was die Natur so fern der Autobahnraststätten bereit hält und wir hatten uns bewährt. Keine Frage, sonst wäre keiner von uns in der Lage zu berichten. Das wichtigste hatte jeder in seiner Position auf die ihn das Schicksal gesetzt hatte für sich gelernt. In den folgenden Gesprächen in denen wir das erlebte zu verarbeiten suchten staunte ich über die Tiefe und Klarheit des neuen Blicks in den Augen meiner Kameraden. Um einige zu nennen ohne sie herauszuheben: den Eigner der sein Boot nicht geschont hatte und bis zur wirklich allerletzten Minute den Willen nicht aufgab für die Möglichkeit ein Lebenszeichen auf dem zum Untergang verdammten Boot zu erspähen, in der Nähe zubleiben; den Steuermann in jenen denkwürdigen Stunden, der instinksicher zwischen die treibenden Leinen dem durchs Wasser peitschenden, mehrfach gebrochenem Mast auswich um den anderen die sich schon in den Bugkörben bereitmachten vielleicht doch eine Möglichkeit zum Überzusteigen zu geben. Dies war für mich durch die Fenster, wenn der Blick durch das überkommende Wasser nicht behindert wurde, erkennbar und ich hielt jedes Mal den Atem an wenn der Mast lanzengleich nach ihnen stieß und sie nur „volle Fahrt zurück“ des Steuermannsgehilfen rettete der gedanklich die Bewegungen dieses Mehrkörperproblems in feindlicher Umgebung erfolgreich antizipierte und nach Kräften den Steuermann unterstützte der keine Hand für die Maschine frei hatte. Er wäre auch überfordert gewesen diese beiden, das menschliche Regelverhalten vor eine unlösbare Aufgabe stellende zu vereinen. So musste eine, in den langen gemeinsamen Wache entstandene, für Außenstehende nicht erkennbare Kommunikation zum Gelingen beitragen. Meine Rolle, ich will es nicht verschweigen war die eher bescheidene am Funkgerät, wo ich, abgeschnitten von der direkten Erlebniswelt die meine Mitsegler miteinander teilten, versuchte die Verbindung mit der Titaro aufrechtzuhalten, um ohne eigentlich recht zu verstehen um was es ging, die Meldungen weitergab. Aber sei` s drum, alleine die erlebten Bruchstücke die sich für mich erst im Gespräch zu einem beeindruckendem Ganzen zusammensetzten waren es Wert und ich werde immer tiefe Dankbarkeit für die zarten Finger empfinden die meine verkrampfte Klaue von dem Mikrofon lösten um mir einen dampfenden Becher mit einem Blick voll tiefempfundener Nächstenliebe reichten. Noch ein Wort zur Titaro, um dem Eindruck, der durch den oberflächlichen und nicht erfahrungsgeschärften Blick entstehen könnte, im Keime entgegenzuwirken: die Titaro und ihre Besatzung hat das in ihrer Macht stehende und noch darüber hinaus getan was ihr möglich war und uns eigentlich erst durch ihr Abdrehen zu den Dingen angestachelt die ich versuchte im vorangegangenen zu schildern. Außerdem waren wir durch Anzahl und innere Bereitschaft der Mannschaft der Titaro weit überlegen, also bereit auch das Unmögliche zu mindest zu versuchen.
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